
Das Programm des re:pair FESTIVALS wird laufend ergänzt und aktualisiert. Über eventuelle Zugangsvoraussetzungen werden wir dich/Sie an dieser Stelle und per Newsletter informieren.
Ausstellung 1
Touch & Feel – Qualität in der Mode
Kuratiert von Tina Zickler.
Vergleicht man die Qualität von heutigen Stoffen und heutigem Näh-Zubehör sowie deren Verarbeitung mit den Standards vor 100 Jahren, muss man einen eklatanten Qualitätsverlust konstatieren. Deshalb kennen viele Jugendliche und Erwachsene nur noch qualitativ minderwertige Bekleidung aus Kunstfasern, vor allem Polyester.
Die herausragenden Eigenschaften von nachwachsenden Naturmaterialien – Nachhaltigkeit, Langlebigkeit und Tragekomfort – sind vielen Menschen heute unbekannt. Die Ausstellung „Touch & Feel“ zeigt, welch hohe Qualität Stoffe, Knöpfe und weiteres Zubehör früher hatten. Leinen, Seide, Wolle, Kaninchenpelz, Perlmutt-, Glas- und Hornknöpfe versus Polyester, Polyamid und Plastik – Touch & Feel!
Alle Besucher*innen sind aufgefordert, die verschiedenen Materialien anzufassen und sich anzusehen, wie sorgfältig Kleidung früher verarbeitet wurde. Heute besteht der Großteil von FAST FASHION aus Kunstfasern wie Polyester und wird nicht nachhaltig, sondern auf Kosten der Umwelt und unter ausbeuterischen Bedingungen produziert. Die Textilindustrie ist nach der Ölwirtschaft die zweitdreckigste Branche weltweit.
Wenn man sich vergegenwärtigt, wie kostbar Kleider und Textilien früher waren, ist die heutige Situation obszön. Bekleidung ist in den Industrieländern zum billigen Wegwerfprodukt verkommen! 60 % der globalen textilen Produktion wird im Herstellungsjahr wieder vernichtet – was für eine Verschwendung unserer Ressourcen!
Fragen:
Ist es klüger, sich einmal ein teures, hochwertiges und fair produziertes Kleidungsstück zu kaufen oder besser regelmäßig günstige Klamotten zu shoppen?
Fast Fashion bietet billige Abwechslung. Bieten Second-Hand-Mode und Kleidertauschpartys dazu eine gute Alternative?
Ist es klüger, Omas Pelz aufzutragen oder kaufe ich mir einen Webpelz aus Polyester, der zwar aus Erdöl hergestellt, aber vegan ist?
„Touch & Feel – Qualität in der Mode“ wird auf einer Wand der Ausstellung „Elisabeth Wild“ @ MUMOK präsentiert. Herzlichen Dank ans MUMOK!

Ausstellung 2
Außen hui, innen pfui – das Innenleben von Polstermöbeln
Kuratiert von Ida Divinzenz, Vermittlung: Ida Divinzenz & Team
Ein schöner Stoff deckt vieles zu. Dabei geht es doch um die inneren Werte, auch bei deinem Lieblingssessel! Die Ausstellung gewährt einen Einblick in das Innenleben von Polstermöbeln und wie es sich im Lauf der Zeit verändert hat. Denn Fast Furniture ist auch im Möbelbau angekommen.
Anhand von drei Sesseln werden unterschiedliche Verarbeitungstechniken gezeigt. Während ein Modell aus dem 19. Jahrhundert von erheblichen Materialkosten und aufwendiger Handarbeit, die einen hohen Grad an Spezialisierung voraussetzt, gekennzeichnet ist, ist im modernen Möbelbau genau das Gegenteil der Fall. Das Polstermöbel von heute besteht aus Holzfaserplatten, Karton und diversen verklebten Schaumstoffen, im besten Fall Naturmaterialien. Handarbeit ist hier auf das Minimum reduziert, Maschinen und Computertechnik dominieren den Herstellungsprozess.
Selbst im Luxus- oder „ökologisch nachhaltigen“ Segment ist das Reparieren kaum Thema. Wenn überhaupt möglich, schrecken die hohen Kosten ab. „Es zahlt sich selten aus“, so der Tenor. Denn es braucht schon sehr gut ausgebildete, detailverliebte Handwerker*innen, die fähig sind, die industrielle Verarbeitung zu meistern. Das reparierte Ergebnis ist oft ein Kompromiss, viele Details benötigen Spezialmaschinen, die in den meisten Werkstätten fehlen. Und der Stundensatz übersteigt nicht selten die Kosten für ein neues Möbel, das vermutlich auch noch „moderner“ anmutet und dem Zeitgeist entspricht.
Ein Dilemma, das mitunter dafür verantwortlich scheint, dass es immer weniger Werkstätten gibt, die Polstermöbel reparieren, und damit auch immer weniger gut ausgebildete Handwerker*innen, die die notwendige Routine mitbringen. So ist das Reparieren eines Polstermöbels selbst zum Luxus geworden.
Als Besonderheit und Denkanstoß für zukünftige Designer*innen und Akteur*innen können daher Polstermöbel der 1950er Jahre + betrachtet werden. Es war die Zeit des Beginns von modernen Verarbeitungstechniken, inspiriert von der Auto- und Flugindustrie. Material wurde sparsam und effizient eingesetzt und die arbeitsteilige Produktion ermöglichte den Einsatz von handwerklich weniger ausgebildeten Arbeiter*innen. Damit einher geht, dass diese Polstermöbel auch leichter zu reparieren sind. Mit ein bisschen Geschick kann in einem Tapezierkurs unter Anleitung jede*r Hand anlegen und das alte Stück reparieren.
Vorraussetzung für die Designs der 1950er Jahre + war allerdings eine Designpraxis, die Sessel für die „Ewigkeit“ bauen wollte. Das steht in direktem Gegensatz zur Wegwerfgesellschaft von heute.
In der Austellung werden regelmäßig Führungen angeboten, die den Besucher*innen verschiedene Techniken und Materialien vorstellen. Denn ein Umdenken in der Produktion, Recycling und Reparatur sind eine ebenso große Herausforderung für die Zukunft wie die Sensibilisierung der Kund*innen, die neue Polstermöbel erwerben möchten. Und wir geben praktische Anregungen, wie alte Techniken auch für den heutigen Möbelbau genutzt werden könnten.
